Alexander Kottulinsky: Lieber Richard, wir beschäftigen uns sehr mit der Nutzung historischer Gebäude und deren Gärten. Es gibt verschiedene Ansätze, die wir in den letzten Jahren angeschaut haben. Du hast mir erzählt, dass du einen neuen Weg gehst. Kannst du uns ein bisschen etwas darüber erzählen?
Richard Polsterer: Ja, sehr gern. Ich habe vor elf Jahren für uns selbst ein Baumhaus gebaut, als mir die schöpferische Luft in meinem Tischlermeisterbetrieb zu dünn geworden war und ich lieber im Freien etwas machen wollte. Das hat so großen Anklang gefunden, dass es in kürzester Zeit in verschiedenen Zeitschriften zu sehen war, wodurch sich die Auftragslage plötzlich in Richtung Baumhäuser verschoben hat. So bin ich dazu gekommen.
Super. Was kann ich mir jetzt unter einem Baumhaus vorstellen? Ich habe als Kind auch mit meinem Vater zusammen ein Baumhaus gebaut, im Schlosspark in Neudau. Das war natürlich eher ein, sagen wir, ausgebauter Hochstand. Was kann ich mir unter deinen Baumhäusern vorstellen?
Verschiedenes. Also, man kann Baumhäuser in jeder Größe anbieten. Eine Grundvoraussetzung ist einmal der richtige Baum. Je größer und tragfähiger der Baum als lebendes Fundament für ein Baumhaus ist, desto größer und geräumiger kann auch die Plattform bzw. das Baumhaus selbst sein. Ich befasse mich ausschließlich mit Baumhäusern, die wirklich in lebenden Bäumen gebaut werden, und nicht mit irgendwelchen Hütten auf Stelzen, das interessiert mich weniger. Dafür gibt es Spielplatzhersteller, die das ganz professionell machen. Meine Spezialität ist tatsächlich, das Bauwerk in den Baum hineinwachsen zu lassen. Und das gibt mir selbst auch irgendwie ein künstlerisches Feeling. Für mich ist das ein wenig wie eine Skulptur, die auf den lebenden Baum hinaufwächst. Selbstverständlich habe ich im Vorfeld ein Konzept, das sich durch die Betrachtung der infrage kommenden Bäume entwickelt. Und wenn ich einmal Feuer gefangen habe, dann versuche ich, den Kunden und/oder den Interessenten meine Ideen zu übermitteln. Und meistens sind diese Menschen dann ganz begeistert und fangen ebenfalls Feuer und wollen die Sache umsetzen.
Schlossparks eignen sich wahrscheinlich grundsätzlich nicht so schlecht für deine Bemühungen. Du hast erzählt, dass es sehr wichtig ist, dass der Baum eine gewisse Größe hat und eine gewisse Tragfähigkeit besitzt. Ein älterer Baum in einem Schlosspark bietet also an sich gute Voraussetzungen. Wie kann man sich jetzt eine Nutzung vorstellen? Was stellst du dir vor, was deine Kunden dann in diesen Baumhäusern machen? Sie werden ja nicht vom Schloss übersiedeln und dort wohnen.
Genau. In vielen Fällen reicht es zum Beispiel oder ist es für den Kunden durchaus genug, nur eine Plattform in einem Baum in schwindelnder Höhe zu haben, von der man nicht herunterfällt – selbstverständlich mit einem entsprechenden Geländer, das sehr wohl den Normen und Sicherheitsvorschriften entspricht. Und dann wird da oben beispielsweise Yoga oder Bird Watching oder was auch immer gemacht. Oder es wird ein Zelt aufgebaut und darin geschlafen. Der Blick von oben – ich rede jetzt nicht von 2,5 Metern, sondern von 5 bis 10 Metern – von einem sehr hohen, tragfähigen Baum hinunter auf das Alltagsgeschehen ist einfach ein anderes Gefühl. Man ist da oben und schaltet ab. Wenn man beispielsweise ein Tierliebhaber ist wie ich oder ein Jäger oder Naturliebhaber, ist man da oben der Natur auch näher, weil man vom Boden der Realität weiter entfernt ist. Es ist ein Ruhepol im Fluss des Alltags – und das will ich eigentlich vermitteln, ob das nun die Kinder des Schlossherrn und ihre Schulfreunde oder verliebte Jugendliche sind, die sich da oben treffen. Man könnte auch, wenn es ein größerer Baum ist, eine ungefähr 20 bis 30 Quadratmeter große Plattform bauen und dann da oben eine kleine Hochzeitssuite einrichten. Man kann also vieles machen, aber mir geht es primär darum, die Nähe zur Natur zu vermitteln. Eine Übernachtung in einem Baumhaus ist etwas ganz Bezauberndes. Die Vögel wecken einen und das Eichhörnchen läuft über das Dach.
Man bereichert den Schlosspark mit einem schönen zusätzlichen Gebäude, mit einer Skulptur. Wie gesagt, das Baumhaus hat jeder von uns in irgendeiner Form als Kind im Kopf und mehr oder weniger positiv oder gut umgesetzt. Genau so eine Möglichkeit mit einem professionellen Erbauer wäre auch für uns als Kinder grandioser gewesen, als mit fünf Brettern, irgendwie halb schief und nicht ungefährlich, die Sachen selbst zu bauen.
Da vertrete ich eben auch den Standpunkt, dass alle Kinder wahrscheinlich, wenn sie jetzt keine zu übervorsichtigen Eltern haben, auf den Bäumen herumklettern dürfen und sich daran erfreuen, wenn in schwindelnder Höhe der Wind bläst und sie mit dem Baum wackeln. Das haben wir alle erlebt. Aber in ein Baumhaus werden plötzlich extreme Sicherheitsideen hineingedichtet. Wenn das Gerüst stabil ist und ein Geländer hat, ist das allemal sicherer als jeder Baum, den ich einfach so ohne jegliche Sicherung legal erklimmen darf. Ich finde es nicht richtig, ein Baumhaus mit einem Fangnetz darunter zu bauen und dann vielleicht auch noch Matten auf dem Boden zu platzieren. Auch die Versiegelung durch giftige Lacke ist überflüssig. Man tut der Natur nichts Böses, der ökologische Fußabdruck von einem solchen Baumhaus ist sehr gering. Ich arbeite mit einheimischem Lärchenholz, das heißt also, ich achte darauf, dass ich nicht sibirische Lärche einkaufe, da man ja nicht weiß, ob sich die sibirische Taiga überhaupt jemals wieder aufforsten lässt. Lärchenholz und martensitische Schrauben, die nicht wegrosten, sorgen dafür, dass meine Konstruktionen schon an die 20 Jahre und länger halten. Und wenn der Baum am Ende mal zusammen mit dem Baumhaus umfällt – hoffentlich ist dann niemand drin! –, dann kann es rückstandsfrei verrotten. Es wird kaum Energie dabei verbraucht bis auf das, was bei der Herstellung von Holz usw. anfällt. Und jetzt komme ich zu deiner Frage zurück: Schlossparks sind deshalb so geeignet, weil hier meistens wunderschöne alte Baumbestände vorhanden sind, wie es sie in Siedlungs- und Kleingärten weniger gibt. Ein weiterer Aspekt ist, dass man sich und der Umwelt teure Urlaubsreisen mit Strapazen und einem großen ökologischen Fußabdruck erspart, indem man einfach jederzeit im eigenen Baumhaus eine Auszeit nimmt, ohne an das viele Gepäck denken zu müssen.
Wie ist denn deine Herangehensweise? Nach welchen Kriterien suchst du die Bäume aus? Nach der Höhe, nach der Art des Baumes, nach der Stabilität? Wie kannst du das beurteilen? Das ist ja auch eine Frage der Statik.
Die Frage ist berechtigt, aber ich habe Erfahrung. Ich habe mich auf der BOKU mit Forstwirtschaft und Landschaftsökologie usw. befasst und kann mich, wenn ich unsicher bin, immer mit Baumpflegern absprechen. Da habe ich ein paar an der Hand, die ich immer anrufen und denen ich Fotos schicken kann oder sie kommen vorbei. Manchmal kommt es sogar dazu, dass eine Kundschaft einen Baumpfleger bittet, für den Baum ein Attest zu erstellen. Das ist natürlich auch für mich gut, weil ich dann abgesichert bin. In Sturmnächten sollte man aber vielleicht nicht unbedingt in einem Baumhaus schlafen.
Welche Bäume eignen sich am besten?
Ich würde mal sagen, als einfache Faustregel Bäume mit mindestens 50 Zentimeter Brusthöhendurchmesser. Lieber mehr, und noch lieber deutlich mehr. Am geeignetsten sind Bäume, die, ohne noch auf die Baumarten einzugehen, grundsätzlich vital sind, nicht an einem extrem ausgesetzten Ort stehen, wo man schon von Haus aus sieht, dass hier ein Blitz einschlagen könnte oder dass der nächste stärkere Sturm die Äste abräumt oder sonst etwas passiert. Man muss sicherstellen, dass der Baum nicht überaltert ist. Das erkennt man daran, dass viel Altholz oder morsche Teile oben sind. Man muss sich den Baum schon genau anschauen, ob zum Beispiel irgendwo die Rinde so stark verletzt ist, dass damit gerechnet werden muss, dass immer mehr Pilze in den Baum eindringen und dieser über kurz oder lang leidet und dadurch auch seine Tragkraft einbüßt. Sagen wir mal: Wenn ich 20 Jahre meine Ruhe haben möchte und das Baumhaus oder der Baum noch so gut sein soll wie heute, dann muss der Baum nicht nur vital sein. Von der Baumart her eignen sich viele Bäume, so zum Beispiel Harthölzer wie Eiche, Ahorn oder Buche – ob Weißbuche oder Rotbuche, ist dabei egal. Aber man sollte nicht unbedingt auf Weidengehölze, Birken und andere Gehölze zurückgreifen, die von der Natur nicht dafür designt sind, lange zu halten, weil sie als Pioniergehölze keine lange Lebensdauer haben.
Und wie gehst du daran? Arbeitest du von unten nach oben oder von oben nach unten? Geht der Aufstieg rund um den Baum oder muss man sich eine gerade Leiter vorstellen?
Ich habe mich ein einziges Mal im Zuge der Herstellung einer Wendeltreppe, die tatsächlich um den zentralen Baumstamm verlief, von oben nach unten bewegt. Das war sehr aufwendig, weil es eine technische Herausforderung war, hat jedoch gut geklappt. Normalerweise arbeite ich mich aber von unten nach oben.
Wie kommst du hinauf? Mit Steigeisen oder Leitern?
Mit Leitern. Das ist viel schneller und einfacher, als beispielsweise ein Gerüst aufzustellen, welches mir dann beim Bau überall im Weg ist. Ab einer gewissen Höhe – ab drei Metern – seilen wir uns mit Klettergurten an.
Du suchst dir aber nur einen Baum aus – also nicht das System einer Wanderung von Krone zu Krone mit einer Hängebrücke dazwischen, sodass auf jedem Baum auch ein Baumhaus ist?
So etwas würde ich mal nicht grundsätzlich ausschließen, aber bisher lag mein Fokus auf einzelnen Baumstämmen mit dem Thema Baumhaus, Baumplattform, Aussichtsplattform, von mir aus auch Jagdhochstand und dergleichen. Letztere zimmere ich natürlich immer direkt in die Bäume, wo sie das Landschaftsbild weniger verschandeln.
Lieber Richard, ich danke dir für das Gespräch.