Die Idee für ein mehrstöckiges Baumhaus war mir schon im Februar gekommen, als ich beschloss, die alte Linde hinterm Stall stark einzukürzen, da ihre Krone vermorscht war und immer wieder tote Äste abwarf. Als ich erkannte, dass meine Teleskopleitern nicht einmal bis zur Hälfte hinaufreichten, beschloss ich, für einen Tag einen Hubsteiger zu mieten, der mich bis in 20 Meter Höhe hob. Vom schaukelnden Korb aus konnte ich alles Totholz nicht ganz gefahrlos aber zügig absägen und versiegelte die Schnittstellen mit Baumwachs gegen das Austrocknen. Die Durchmesser der Stämmlinge maßen bis zu 50 Zentimeter und durften weder auf die umliegenden Gebäude noch auf den LKW fallen, an welchem mein Drehkorb befestigt war. Ich glaube, ich habe bis dahin noch nie über so viele Stunden am Stück zitternde Knie gehabt.
Im Anschluss daran ließ ich mich von der sogenannten Coronakrise nicht zur Untätigkeit verurteilen. Mein 12-jähriger Sohn Felix übte die Bauaufsicht über sein Baumhaus aus, da er wegen Homeschooling zuhause war. Ich bat ihn, erst eine Skizze anzufertigen, die ich dann in meine Baumhausrealität „übersetzte“.
Kurz danach begannen wir im März mit der ersten halbelliptischen Plattform in viereinhalb Metern Höhe, die von 4 massiven Ästen gestützt wird. Man erreicht sie über eine bequeme, 7 Meter lange Stiege. Von dort aus gelangt man über eine weitere kurze Stiege zum einen Meter höher gelegenen Baumhaus, welches auf 3 Seiten von einem Balkon umgeben ist und über ein Tonnendach vefügt, das mit Wellblech eingedeckt ist. Es ist aus rot gebeizten Lärchen-Dreischichtplatten gefertigt. Zentrales Element ist ein geschmiedetes und liebevoll restauriertes Stahlfenster aus der Jahrhundertwende.
In der Krone der Linde befindet sich noch eine Art „Ausguck“ für schwindelfreie Menschen. Er misst 3×3 Meter und gewährt einen weiten Blick in die Umgebung. Man erklimmt ihn über eine Leiter. Die Geländer sind mit Sprossen aus verwitterten Weingartenstecken gesichert.
Die Hütte wurde vollständig in meiner Werkstatt zusammengebaut und mittels Kranwagens auf die 2. Plattform gehoben. (Schade, dass dieser Vorgang bei den meisten Projekten nicht möglich ist!) Bis zur Wiederbelaubung der Linde erinnerte der Bau ein wenig an ein Seeräuberschiff. Nach und nach beginnen die Blätter, die Konstruktion aber wieder zu überwachsen und in den Hintergrund zu drängen.
Felix verbringt viel Zeit mit Freunden und Freundinnen in seinem Baumhaus. Auch sein schönes Pythonweibchen Olga darf natürlich nicht fehlen! Vorgestern wurde er frühmorgens von einer freilaufenden schwarzweißen Katze aufgesucht, die er letzte Woche während seiner Spaziergänge in der näheren Umgebung kennengelernt und ins Herz geschlossen hatte. Die Kinder hatten ihr mysteriöserweise den Namen „Nutella“ gegeben. Sie verlangte miauend und an der Türe kratzend Einlass. Und sie verbrachte sogleich die Morgenstunden schnurrend mit ihm im Baumhaus und besuchte ihn auch gestern Abend wieder. Diesmal wartete schon eine Dose Katzenfutter auf Nutella.